… nimm es an die Hand
In unserer Kindheit lernen wir, was wir später als „normal“ betrachten werden. Das besondere an dieser Lebensphase ist, dass wir von jemand anderes – einem/ mehreren Erwachsenen – abhängig sind. Das betrifft zuerst einmal unsere Grundbedürfnisse: wir brauchen jemanden, der für uns sorgt, sodass wir ein Zuhause, Essen, Kleidung etc. haben und sicher sind. Das betrifft aber auch unsere geistige und psychische Entwicklung. Nachdem wir noch nicht auf eigene Erfahrungen zurückgreifen können, brauchen wir jemanden, der uns vermittelt, was „normal“ ist. Wir lernen in dieser Zeit von unserem Umfeld, wie wir miteinander umgehen, wie wir Beziehungen leben, welche Prioritäten wir setzen, welche Werte uns wichtig sind...
„In unserer Kindheit lernen wir, was wir später als "normal" betrachten werden.”
Das Besondere an diesem kindlichen Lernen ist, dass wir das, was uns die Erwachsenen vermitteln, als gegeben hinnehmen (müssen). Wir haben noch keine Möglichkeit, selbst zu reflektieren und zu überlegen, ob ein bestimmtes Verhalten oder eine bestimmte Einstellung für uns Sinn macht, uns guttut, uns weiterbringt.
Das, was wir auf diese Art als Kind über unser Leben gelernt haben, verfestigt sich normalerweise stark und formt unser Denken als Erwachsene, unsere Erwartungen an uns selbst und an andere und wie und wovor wir uns schützen.
Oft werden uns unsere unhinterfragten „Normalitäten“ erst bewusst, wenn wir auf einen Menschen treffen, der selbst ganz andere „Normalitäten“ mitbringt. Unser Partner und unsere Kinder sind daher ganz wichtige Spiegel für uns, um festgefahrenen, unhinterfragten Verhaltensweisen und Einstellungen auf die Spur zu kommen.
„Sei Detektiv in deiner eigenen Lebensgeschichte: In welchen Situationen hast du das Gefühl, du bist nicht ganz bei dir selbst, reagierst vielleicht intensiver oder impulsiver, als zu erwarten wäre. Fast so wie ein Kind, das von einer Situation und der eigenen Emotion übermannt wird. Und wie könnte das mit deinen erlernten "Normalitäten" zusammenhängen?”
In der Beratung, im Coaching genauso wie auch in der Psychotherapie arbeiten wir auf unterschiedliche Weise mit den inneren Anteilen einer Person. Wir alle haben erwachsene Anteile, also solche, die aus dem Hier und Jetzt heraus sprechen und handeln und wir haben auch kindliche Anteile in uns. Diese sind in die Vergangenheit gerichtet oder dort verhaftet. Einige von ihnen (aber nicht alle!) sind gekränkt, manche vielleicht sogar verletzt. Sie haben diese Kränkung oder Verletzung ins Hier und Heute mitgebracht und sie haben ein Bedürfnis, das (noch) nicht erfüllt wurde.
„Wir sehen und verstehen oft nicht auf Anhieb alle unsere inneren Anteile, sondern es könnte eine längere „Detektivarbeit“ notwendig sein. Vor allem wenn es um verletzte Anteile geht, kann es wertvoll sein, sich für diese „Detektivarbeit“ Unterstützung und Begleitung zu holen.”
Für die Arbeit mit kindlichen inneren Anteilen können wir auf unterschiedliche Methoden zurückgreifen. Häufig werden innere Anteile visualisiert, das heißt entweder aufgezeichnet, aufgeschrieben oder auch aufgestellt. Es bieten sich mehrere Schritte bzw. die Bearbeitung mehrerer Fragen an.
Was weiß/ sagt/ glaubt der kindliche Anteil? Welche (Glaubens-)Sätze formuliert er?
Von wem stammen diese (Glaubens-)Sätze? Wer hat sie dem kindlichen Anteil gesagt/ eingeflüstert?
Welches Bedürfnis von mir ist dabei auf der Strecke geblieben? Diese Frage ist oft gar nicht so leicht zu beantworten, weil sich (unbefriedigte) Bedürfnisse häufig gut verstecken und tarnen.
Wie waren die Umstände, als mein Glaubenssatz entstanden ist?
Diese Frage ist eine ganz Wesentliche im Prozess der Arbeit mit dem Inneren Kind. Wenn wir uns damit beschäftigen, wo Glaubenssätze herkommen und vor allem, WER uns damit geprägt hat, können wir Gefahr laufen, in die Falle der Schuldzuweisung zu tappen: „Ich kann nichts dafür, dass ich so bin und dieses Problem habe. Meine Eltern haben da etwas falsch gemacht.“ Oft hätten unsere Eltern (Bezugspersonen) ja tatsächlich besser anders agiert und reagiert. Aber warum haben sie das nicht gemacht? Meistens deshalb, weil auch sie selbst geprägt von ihren Einstellungen, ihrem "Normal" und von den Umständen waren.
Diese Schritte/ Fragestellungen sind in die Vergangenheit gerichtet. Und hier befinden wir uns an einem ganz wesentlichen Punkt in der Arbeit mit dem Inneren Kind. An dieser Stelle triffst du eine wichtige Entscheidung: nimmst du dein Inneres Kind an die Hand, im Bewusstsein um deine Glaubenssätze und ihren Ursprung, im Bewusstsein um deine Bedürfnisse, und richtest dich in eine Zukunft aus, die du für dich gestaltest?
Wenn du für dich Reflexion, Offenheit, Selbstwirksamkeit, Handlungsfähigkeit, Kraft wählst, dann bist du auf dem Weg in die Zukunft. Denke aber daran: das ist ein Prozess! Sehr alte Muster zu verändern, gelingt niemanden von einem Tag auf den anderen. Es braucht viel Reflexion, also ein Nachdenken und Nachfühlen über dich selbst und es braucht auch das Feedback von außen. Hier kann dir eine Begleitung, ein Coaching, eine Beratung guttun!
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