Warum ein Rückschlag kein Schlag ist.
Ich habe da so eine chronische Geschichte. Ich nenne es bewusst nicht gerne Krankheit, weil ich mich ja nicht krank fühle. Zumindestens nicht immer. Das Ganze verläuft eher schubweise. Es geht mir gut, ich bin leistungsfähig und fit. Wahrscheinlich bin ich auch immer noch nicht sensibel genug auf die Warnsignale meines Körpers. Und dann kommt diese eine Sache, die mir zu viel ist oder die ich nicht vertrage, die alles zum Kippen bringt. Und dann fällt meine Gesundheit wie ein Kartenhaus zusammen und ein Symptom nach dem anderen ist wieder da. Alles, was ich dann noch an Energie aufbringen kann, ist dafür notwendig, um den Alltag aufrecht zu erhalten. (Es soll ja auch möglichst keiner was merken. Aber das ist eine andere Geschichte, über die können wir ein anderes Mal reden.)
Also muss ich in dieser Zeit auf vieles verzichten, was mir sonst Spaß macht und zudem meine Akkus wieder auflädt. Sport zum Beispiel. Was doppelt traurig ist, weil sportliche Bewegung ja nicht nur unserer Stimmung guttut, beim Stressabbau hilft, sondern vor allem eine positive Wirkung auf unseren Körper hat, begonnen von der einzelnen Zelle bis hin zum gesamten Organismus. Aber wenn der Körper damit beschäftigt ist, Entzündungen in Schach zu halten, Blutdruck und Puls weiterhin richtig zu regulieren und die Erschöpfung zu bewältigen, bleibt dafür keine Energie.
Über den Sommer war für mich wieder eine solche Zeit. Mit vielen Maßnahmen, die ich mir inzwischen schon aneignen konnte und viel Unterstützung durch verschiedene Therapieformen, mit sehr bewusster Ernährung und – das ist für mich am schwierigsten – einem sehr bewussten Energiehaushalt, konnte ich die Kurve wieder kratzen und es geht schon eine Zeit lang wieder bergauf. Heute war ich zum ersten Mal seit dem Sommer wieder Laufen und es war wunderschön!
Warum ich dir das erzähle? Ich möchte auf ein ganz bestimmtes Thema hinaus, dass uns in der Gesundheitsförderung jederzeit begleitet: den „Rückfall“. Ganz egal, in welchem Lebensbereich, überall dort, wo wir uns bemühen, ein bestimmtes Verhalten zu verändern, lauert er auf uns.
Da muss es gar nicht um eine chronische Krankheit oder etwas ähnliches gehen. Hast du schon einmal versucht zum Rauchen aufzuhören? Nichts Süßes mehr zu essen? Wie sieht es mit deinen Neujahrsvorsätzen aus dem heurigen Jahr aus? Es ist ja bald wieder soweit… Sie haben sehr oft auch mit einem gesundheitsförderlichen Verhalten zu tun, dass du gerne umsetzen würdest. Hattest du dir vorgenommen, mehr Bewegung zu machen? Oder heuer die Kekse nicht schon wieder vor Weihnachten wegzuputzen?
Ich ärgere mich jedes Mal über mich selbst. Warum habe ich es nicht kommen sehen? In welche Falle bin ich wieder getappt? Warum muss ich schon wieder von vorne beginnen? Warum ist es so schwer, das Verhalten, dass mir guttut, langfristig beizubehalten?
Weil es eben so ist: Wir Menschen sind Gewohnheitstiere, sagt man. Da ist viel dran. Wir brauchen Routinen und Gewohnheiten, damit unser Leben überhaupt bewältigbar wird.
Damit nehmen wir uns selbst Entscheidungen ab, die wir sonst jeden Tag aufs Neue treffen müssten. Die Flut an zu treffenden Entscheidungen würde uns rasch überfordern. Was, wenn du jeden Morgen auf der Bettkante sitzen würdest und überlegen müsstest: Macht es für mich Sinn, aufzustehen, meine Blase zu entleeren, meine Zähne zu putzen und was zu frühstücken? Da ist es schon praktisch, dass unsere Morgenroutine fast von selbst läuft. Hast du schon einmal beobachtet, wie automatisch du morgens die Dinge Tag für Tag gleich machst? Mir geht es oft so, dass ich zum Beispiel in den ersten Ferientagen tatsächlich etwas vergesse. Da muss ich mein Kind nicht aufwecken und nicht schon das Frühstück parat haben, was doch eigentlich eine Erleichterung bedeutet. Aber gerade dann vergesse ich zB darauf, die Katze zu füttern. Das geht sonst ganz automatisch. Aber ich bin eben außerhalb meiner Routine.
So fest, wie Gewohnheiten in uns verankert sind, ist es verständlicherweise sehr, sehr schwer, sie zu verlassen und neue Gewohnheiten zu implementieren. Vor allem neue Gewohnheiten, die uns aus unserer Komfortzone herauslocken.
Am Abend beim Couching das Feierabendbier gegen Chips tauschen = einfach. Am Abend das Couching gegen einen Spaziergang an der frischen Luft zu tauschen = schwierig. Wie gelingt es uns dann trotzdem, neue Gewohnheiten zu verankern? Wir hören immer von der Wichtigkeit der Wiederholung. Je häufiger du eine neue Verhaltensweise umsetzt, desto eher wird sie zur Routine. Aber noch viel wichtiger ist es, dein Bedürfnis zu entdecken, das du versuchst, mit deiner Verhaltensweise zu befriedigen. Beim obigen Beispiel geht es vielleicht um die Entspannung nach einem anstrengenden Arbeitstag. Nur Einschlafen kannst du seit längerem schon nicht gut. Was lässt dich entspannen UND hilft dir, leichter und besser einzuschlafen? Der Spaziergang! Sobald du fühlst, wie gut er dir tut, wie schön es ist, sich nach der Bewegung ins Bett zu kuscheln, wie gut deine Melatoninausschüttung funktioniert, weil sie durch den Spaziergang in der Abenddämmerung getriggert und nicht vom Blaulicht des Fernsehers blockiert wird und wie erholt du schläfst, wird er zu deiner neuen Gewohnheit werden können.
Und trotzdem lauert er immer: der Rückschlag. Weil er einfach dazu gehört, zum Prozess der Veränderung. Weil er auch nochmals hervorkehr, was uns eigentlich wichtig ist, was wir eigentlich verändern wollen, welches Bedürfnis wir eigentlich erfüllt haben wollen. Lass dich von ihm nicht unterkriegen, sondern bereite dich auch darauf vor.
Überlege dir, wie du damit umgehst, wenn er kommt. Oder noch viel besser: lass dich bei deinem Veränderungsprozess begleiten. In der Begleitung meiner Klient:innen gehört neben vielem anderen dieser wichtige Punkt immer dazu.
Deine Veränderung ist eine Chance, die du selbst dir gibst. Und das wunderbare dort, wo du selbst dir Chancen gibst, ist: du kannst dir unendlich viele davon geben! Aufstehen – Krönchen richten – weitergehen. Und: sei gut zu dir!
Comments