Gedanken zum Workshop vom 28.9.2024
Denkt man ans Theater und an den Film, so ist eine Rolle im Drehbuch genau beschrieben: wie er oder sie aussieht, sich kleidet, auftritt, sich verhält… Davon abgeleitet hat man in der Psychologie das Konzept der sozialen Rolle etabliert. Auch hier geht es darum, wie sich jemand in einer bestimmten Rolle verhält, wie er oder sie sich nach außen gibt und zeigt, wie gesprochen wird (mit manchen Rollen ist ein bestimmter „Fachjargon“ verbunden) und vor allem auch, was von einem erwartet wird.
Meine Tochter hat sehr früh sehr viel von meiner beruflichen Tätigkeit mitbekommen. Sie war öfters bei mir im Büro und hat auch sonst viel mitbekommen. Als sie noch im Kindergarten war, hörte sie einmal ein Telefonat mit, das ich führte. Nach dem Auflegen fragte sie: „Mit wem hast du telefoniert? Du hast geklungen wie die Arbeitsmama.“ Mein Kind hat also beobachtet, dass ich mich anders verhalte, wenn ich mit ihr im Kontakt bin, in meiner „Mama-Rolle“, als im Umgang mit Kollegen. Dann bin ich offenbar die „Arbeits-Mama“: andere Begriffe, andere Stimmlage, wahrscheinlich auch andere Körperhaltung und eine andere Anspannung.
Vielleicht hast du auch schon einmal einen Freund oder Kollegen beobachtet, der mit seiner Partnerin telefoniert. Plötzlich ändern sich Tonlage, Körperhaltung und verwendete Ausdrücke. Es kann natürlich auch sehr amüsant sein, wenn aus McCool von einem Augenblick auf den anderen der verständnisvolle Softie wird, der seine Sätze mit Koseworten ziert.
Wer legt denn nun die Rollen fest?
Welche Erwartungen an eine Rolle gesetzt werden, wird einerseits durch Sozialisation weitergegeben. Und je nachdem, wie sich die Gesellschaft verändert, verändern sich auch die Rollenzuschreibungen. Die perfekte Mutter, die gute Ehefrau, einen guten Vater hat man vor 100 Jahren ganz anders beschrieben, als wir das heute tun. Verständlich, dass da Generationenkonflikte vorprogrammiert sein können, wenn zB die Tochter ihre Mutterrolle ganz anders lebt, als deren Mutter das gelernt hat.
Andererseits werden Rollen von der sozialen Gruppe selbst definiert. Möchte man zu einer Gruppe dazugehören, muss man sich zu einem bestimmten Verhalten bekennen und bestimmte Erwartungen erfüllen. Häufig kannst du das bei Gruppen, die gemeinsam einen bestimmten Sport oder ein bestimmtes Hobby ausüben, beobachten: so sind die Rennradler unter Umständen auch im Alltag immer in Sportklamotten anzutreffen und die Leute aus dem Strickkränzchen tragen gerne ihre selbstgestrickten Kleidungsstücke.
Als ich vor vielen (vielen 😉) Jahren die Oberstufe besuchte, hatte ich mir mit meiner Freundin ein Spiel draus gemacht, zu erraten, welche Schule die anderen Jugendlichen, die mit unserem Zug nach Wiener Neustadt fuhren, besuchten. Wir hatten dafür ein richtig gutes Auge entwickelt und konnten auf Anhieb sagen, wer BORG-, HTL- oder HAK-Schüler war. Auch hier erkannten wir schlussendlich soziale Rollen.
Rollen haben stiften Identität.
Beginne einen Satz mit „Ich bin…“ Wie führst du ihn weiter? Wer oder was bist du? Wer bist du noch? Und in welcher Reihenfolge bist du das? Bist du zuerst Mutter? Oder zuerst eine Angehörige deines Berufs? Oder Partnerin?
Ein ehemaliger Arbeitskollege stellte sich in Vorstellungsrunden immer auf die gleiche Art und Weise vor: „Ich bin Vater von drei Kindern, Hundebesitzer und ich habe eine Frau.“ Das ist uns aufgefallen, weil es wirklich immer die gleiche Reihenfolge war. Kinder und Hund hat er immer noch, die Frau nicht mehr. Möglicherweise war mit seiner Vorstellung auch eine Priorisierung seiner Rollen verbunden…
Wenn du deine Rollen gesammelt hast und in Form einer Liste oder Post-it’s vor dir liegen hast, betrachte sie!
In welcher dieser Rollen fühlst du dich am wohlsten?
Wo bist du am meisten du?
Wo fühlst du dich am wenigsten wohl?
Für welche Rolle musst du dich am meisten verstellen?
Bringe die einzelnen Punkte oder Kärtchen/ Post-it’s ein eine Reihenfolge!
Und nun schau sie dir noch einmal einzeln an:
Mit welchen Erwartungen ist diese Rolle verbunden?
Welche sind deine eigenen Erwartungen, wie möchtest du diese Rolle ausfüllen?
Was wird von außen von dir in dieser Rolle erwartet?
Gibt es hier Unterschiede?
Welche Erkenntnisse nimmst du aus dieser Überlegung mit?
Und nun kannst du deine Rollen noch nach einem anderen Gesichtspunkt sortieren: Welche Rolle nimmt den meisten Platz ein, welche den wenigsten? Besonders spannend ist: an welcher Stelle waren diese Rollen in der ersten Sortierung?
Wenn du möchtest, kannst du nun nochmals sortieren: Welche Rolle gibt dir am meisten Energie zurück? In welcher Rolle kannst du deine Akkus aufladen? Und welche braucht die meiste Energie, ist vielleicht sogar ein Energieräuber?
Wie sieht das Ergebnis deiner Entdeckungsreise ins eigene Leben aus? Wenn jene deiner Rollen, die dir die meiste Energie zurückgibt jene ist, in der du dich am wohlsten fühlst, in der du „richtig du“ sein kannst und wenn du dann noch die meiste Zeit dort verbringst – super! Du fühlst dich wahrscheinlich sehr wohl und kannst mit dem Energieüberschuss auch Rollen gut leben, die dir weniger Spaß machen.
Manchmal ist es aber andersherum. Kein Wunder, wenn man da den Spaß an der Sache verliert und sich ausgelaugt fühlt, wenn es so viele Erwartungen gibt, die schwer zu erfüllen sind oder für die du dich verbiegen musst. Das muss nicht sein! Du bist es wert, deine Rollen zu durchforsten und so zu verändern, dass es dir gut damit geht!
Tipp: Hier hilft ein Blick von außen und eine Begleitung in Form einer Beratung oder eines Coachings ungemein. Diese Zeit ist nur für dich, um dein eigenes Leben zu reflektieren und um herauszufinden, was du verändern möchtest. Dabei hast du einen Menschen an deiner Seite, der dich begleitet, der dein „Kompass“ sein kann, während du dein Schiff steuerst.
Wie gesagt haben Rollen viel mit Identität zu tun. Sie beschreiben, wer wir (in einer bestimmten Situation/ in einer bestimmten Gruppe) sind. Wir stellen damit also ein Stück unserer Persönlichkeit dar. Ganz klar, dass es uns schwerfällt, hier etwas zu verändern. Und auch ganz klar, dass es viel Energie kostet, wenn wir denken, anders sein zu müssen, als wir gerne wären.
„Eigentlich bin ich ganz anders, ich komme nur so selten dazu,“ sagte zum Beispiel der österreichische Schriftsteller Ödön von Horvath.
Manchmal ist es daher der richtige Weg, nicht uns bzw. unser Verhalten zu verändern, sondern die Rolle neu zu definieren. Wer sagt denn, dass eine gute Mutter …. …. und eine gute Partnerin …. ….? Vielleicht ist für dich und dein Kind oder für dich und deinen Partner etwas ganz anderes richtig! Nur Mut! 😊
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